Grundbedürfnisse von Kindern im Kindergartenalter – Wie Erzieherinnen sie fördern können.
- Blickpunkt Mensch
- 1. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Kinder sind von Geburt an kleine Entdecker, die ihre Welt mit Neugier, Begeisterung und Offenheit erforschen. Damit sie ihr Potenzial voll entfalten können, brauchen sie ein Umfeld, das ihre grundlegenden Bedürfnisse nach Autonomie, Zugehörigkeit und Sicherheit erfüllt. Als Erzieherinnen im Kindergarten spielen Sie dabei eine zentrale Rolle. Dieser Artikel beleuchtet die Bedeutung dieser Grundbedürfnisse aus entwicklungspsychologischer Sicht und zeigt praktische Wege auf, wie sie im Kindergartenalltag berücksichtigt werden können.
Autonomie – Das Bedürfnis, die Welt selbst zu gestalten
Das Bedürfnis nach Autonomie beschreibt den Wunsch, selbst Entscheidungen zu treffen und aktiv Einfluss auf die eigene Umgebung zu nehmen. Schon Kleinkinder beginnen, ihren eigenen Willen zu entdecken – die berühmte Trotzphase im Alter von etwa zwei Jahren ist ein Zeichen dafür. Autonomie ist entscheidend für die Entwicklung von Selbstbewusstsein, Problemlösefähigkeiten und einem gesunden Selbstwertgefühl.
Entwicklungspsychologische Verankerung:
Laut Jean Piaget, einem der bekanntesten Entwicklungspsychologen, lernen Kinder in der sogenannten präoperationalen Phase (ca. 2–7 Jahre), ihre Umwelt zu verstehen und sich mental mit ihr auseinanderzusetzen. Autonomie fördert diese Entwicklung, da sie Kindern erlaubt, Entscheidungen zu treffen und aus den Konsequenzen zu lernen.
So kannst Du Autonomie im Kindergarten fördern:
• Mitbestimmung ermöglichen: Lassen Sie Kinder entscheiden, welche Spiele gespielt werden, oder geben Sie ihnen die Wahl zwischen verschiedenen Aktivitäten.
• Selbstständigkeit stärken: Unterstützen Sie Kinder dabei, alltägliche Aufgaben wie Anziehen, Tischdecken oder Aufräumen eigenständig zu bewältigen.
• Fehler zulassen: Kinder lernen durch Ausprobieren. Statt einzugreifen, wenn etwas schiefzugehen droht, können Sie beobachten und im Anschluss gemeinsam reflektieren.
Zugehörigkeit – Der Wunsch, Teil einer Gemeinschaft zu sein
Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit ist tief in uns Menschen verankert. Kinder möchten sich geliebt, akzeptiert und als wertvoller Teil einer Gruppe fühlen. Diese emotionale Verbundenheit ist eine Grundlage für ihre soziale und emotionale Entwicklung.
Entwicklungspsychologische Verankerung:
Laut Erik Erikson ist die frühkindliche Entwicklung durch verschiedene psychosoziale Entwicklungsphasen geprägt. Im Kindergartenalter steht die Phase des „Initiative vs. Schuldgefühl“ (ca. 3–6 Jahre) im Fokus. Kinder lernen, sich als Teil einer Gruppe zu sehen, Beziehungen zu knüpfen und Verantwortung zu übernehmen.
So kannst Du Zugehörigkeit im Kindergarten fördern:
• Rituale schaffen: Feste Morgenkreise, Geburtstagsfeiern oder gemeinsame Lieder stärken das Gefühl von Gemeinschaft.
• Teambildung fördern: Geben Sie den Kindern Gruppenaufgaben, bei denen sie zusammenarbeiten müssen, z. B. ein großes Bild malen oder eine Geschichte erfinden.
• Empathie entwickeln: Unterstützen Sie Kinder dabei, die Perspektiven anderer zu verstehen und Konflikte respektvoll zu lösen.
Sicherheit – Die Basis für Entwicklung und Lernen
Kinder brauchen ein Gefühl der Sicherheit, um sich frei entfalten zu können. Diese Sicherheit entsteht durch stabile Beziehungen, eine klare Struktur und eine verlässliche Umgebung. Ohne sie können Kinder ihre Umgebung nicht angstfrei erkunden und ihre Potenziale nicht ausschöpfen.
Entwicklungspsychologische Verankerung:
Die Bindungstheorie von John Bowlby betont, wie wichtig sichere Bindungen für die kindliche Entwicklung sind. Kinder, die in der frühen Kindheit stabile Beziehungen erfahren, entwickeln ein „Urvertrauen“, das ihnen hilft, Herausforderungen zu bewältigen und selbstbewusst in die Welt zu gehen.
So kannst Du Sicherheit im Kindergarten fördern:
• Verlässlichkeit zeigen: Seien Sie als Erzieherin eine konstante Bezugsperson, die emotional verfügbar ist und auf die Kinder zählen können.
• Strukturen schaffen: Klare Tagesabläufe, feste Regeln und nachvollziehbare Konsequenzen geben Kindern Orientierung und Sicherheit.
• Emotionale Unterstützung bieten: Zeigen Sie Verständnis für Ängste und Sorgen der Kinder, und helfen Sie ihnen, diese zu bewältigen.
Die Verbindung zu entwicklungspsychologischen Meilensteinen
Die genannten Grundbedürfnisse sind eng mit den Entwicklungsmeilensteinen des Kindergartenalters verbunden:
• Motorische Entwicklung: Selbstständigkeit bei alltäglichen Aufgaben stärkt die Fein- und Grobmotorik.
• Kognitive Entwicklung: Kinder, die Entscheidungen treffen dürfen, entwickeln ihre Problemlösefähigkeiten und lernen, logisch zu denken.
• Soziale Entwicklung: Zugehörigkeit und ein Gefühl der Sicherheit fördern den Aufbau sozialer Kompetenzen wie Empathie und Teamfähigkeit.
• Emotionale Entwicklung: Ein stabiles Umfeld hilft Kindern, Emotionen zu regulieren und ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln.
Fazit: Der Kindergarten als Entwicklungsraum
Der Kindergarten ist weit mehr als ein Ort, an dem Kinder betreut werden – er ist ein zentraler Entwicklungsraum, in dem die Grundbedürfnisse von Kindern erfüllt werden können. Als Erzieherin haben Sie die Möglichkeit, Kindern ein Umfeld zu bieten, das Autonomie, Zugehörigkeit und Sicherheit gleichermaßen fördert. Dies ist nicht nur entscheidend für ihre Entwicklung im Hier und Jetzt, sondern auch für die Grundlage, auf der sie ihr weiteres Leben aufbauen.
Mit einer bewussten Haltung, einer reflektierten Praxis und viel Herz kannst Du dazu beitragen, dass Kinder sich bei Dir geborgen fühlen und mit Freude wachsen.
Lass uns gemeinsam Bindung in den Kita-Alltag bringen!
Stefanie Milz
Erzieherin
Systemische Familientherapeutin (SG)
zertifizierte Marte Meo Supervisorin
Systemische Supervisorin (SG)
Motopädagogin
Neurophysiologische Entwicklungstrainerin

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